Freilaufende Kühe auf grünen Wiesen erinnern vor allem an die warmen Monate im Jahr. Aber auch in den aktuellen, kalten Jahreszeiten werden Rinder vermehrt draußen gehalten und nicht aufgestallt. Die sogenannte ganzjährige Weidehaltung ist besonders naturnah, eignet sich aber nicht für alle Rassen. Im Rahmen des Tierschutzgesetztes verpflichtet sich der Tierhalter/Tierbetreuer unter anderem dazu, die Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend verhaltensgerecht unterzubringen. Dementsprechend eignet sich die Milchviehhaltung besser für die saisonale Weidehaltung in den warmen Jahreszeiten. Für Robust- und Land-, Fleisch- und fleischbetonte Zweitnutzungsrassen kommt dahingegen auch die ganzjährige vermehrt Weidehaltung in Frage. Derzeit ist die ganzjährige Weidehaltung in Deutschland nur in der Mutterkuhhaltung bekannt. Was es bei der ganzjährigen Weidehaltung zu beachten gibt erfahrt ihr in diesem Beitrag.
Haltungsbedingungen
Die Freilandhaltung entspricht den Ansprüchen der Tiere an ihre Haltungsumwelt weitestgehend. Gleichzeitig werden besondere Bedingungen an sie gestellt.
Einzäunung
Um die Tiere sicher auf der Weide zu halten, werden diese eingezäunt. Damit die sichere Unterbringung gewährleistet ist, sollten die Zäune täglich kontrolliert werden. Bei der Wahl der Einzäunung ist, neben den Störfaktoren und dem Verkehrsaufkommen, außerdem auf den Tierbesatz zu achten. Vor allem Bullen und Jungrinder neigen zu Unberechenbarkeit und Ausbrüchen.
Fütterung und Tränke
Den Rindern ist, wie auch in der Stallhaltung ein in Menge und Zusammensetzung ausreichendes, wiederkäugerechtes Futter zur Verfügung zu stellen. Wichtig auf der Weide ist zusätzlich, dass sich keine Giftpflanzen in unmittelbarer Nähe befinden. In der Mutterkuhhaltung eignet sich die Kondition der Kühe als Maß der Fütterung. Kälbern sollte im Idealfall schon ab der 1. Lebenswoche Grundfutter zugänglich gemacht werden, denn Saugkälber sind anfälliger gegenüber Verdauungsstörungen. Während der Vegetationsperiode ist der Weideaufwuchs im Normalfall ausreichend. Der Landwirt sollte rund 10% Weiderest veranschlagen, da die Kühe selektiv fressen. In den kalten Jahreszeiten oder in Trockenperioden muss gegebenenfalls zugefüttert werden, sollte der Futteranspruch nicht erfüllt werden können. Das Futter muss vor Schmutz und Nässe geschützt aufbewahrt werden. Schnüre aus Rundballen können ein Verletzungsrisiko darstellen oder die Verdauung stören und sollten entfernt werden. Da Rinder sich gerne im direkten Umkreis zur Futterstelle aufhalten, empfiehlt es sich diese nicht weiter als 100 Meter von den Liegeflächen zu entfernen. Hier gilt es außerdem durch eine entsprechende räumliche Verteilung auch den rangschwachen Herdentieren die Futtermittel zugänglich zu machen. Diese halten sich
vorrangig in Ausweichdistanzen zu den höheren Herdentieren und am Weiderand auf. Auch im Sommer muss aufgrund der Rangverteilung auf einen gleichmäßig starken Weideaufwuchs geachtet werden. Neben dem Futter muss den Rindern außerdem über das ganze Jahr hygienisch einwandfreies Wasser zur Verfügung stehen. Es werden bestenfalls frostsichere Tränken verwendet. Bei starkem Frost muss die Tränke täglich kontrolliert und die Tiere im besten Fall zweimal täglich getränkt werden.
Schutz vor widrigen Witterungen
Anders als in der Stallhaltung sind die Tiere in der Weidehaltung den Witterungen ausgesetzt. Rinder fühlen sich bei Temperaturen zwischen minimal 15 und maximal 24 Grad Celsius wohl. Sobald diese kritischen Temperaturen über- oder unterschritten sind, ist die Thermoregulation der Tiere überlastet. Kälber dahingegen benötigen wärmere Temperaturen, um nicht der Gefahr einer Unterkühlung ausgesetzt zu sein. Generell können ausgewachsene Tiere geringere Temperaturen deutlich kompensieren als höhere. Während der Sommermonate hat daher der ausreicheichende Sonnenschutz die wichtigste Rolle. Gegenüber trockenem Frost und Schnee sind Rinder im Regelfall widerstandsfähiger. Kalte Luft fördert die Tiergesundheit. Langanhaltender Regen bei um die 0 Grad Celsius und starker Wind von 4 m/s setzen dem isolierenden Haarkleid der Tiere jedoch zu und führen zum Wärmeverlust. Daher wird ein Witterungsschutz auf den Weiden benötigt. Dieser kann natürlich, in Form von Hecken und Büschen oder künstlich, in Form von trockener Einstreu, Schutzwänden oder Unterständen auftreten.
Die Art des Schutzes ist dabei abhängig von der Häufigkeit der kritischen Bedingungen. Während an manchen Standorten eine eingestreute Fläche ausrecht, sind in Regionen mit starken, anhaltenden Niederschlägen Unterstände, auch wenn gesetzlich nicht verpflichtend, dringend notwendig. Wichtig ist hier, dass sowohl ranghohe als auch rangniedrige Rinder Schutz finden und gleichzeitig die Ausweichdistanz für die rangniedrigen- gewahrt werden kann. Dafür braucht es einen ausreichend großen Aus- /Eingang oder offene Unterstände. Auch bei Abkalbungen während kalter Temperaturen sind Unterstände kaum erlässlich. Hier gilt allerdings dennoch besondere Vorsicht: Kühe sondern sich vor der Abkalbung von der Herde ab, auch wenn sie dafür den Witterungsschutz verlassen müssen. Unter diesen Bedingungen sind eine häufige Kontrolle und ein eventueller Eingriff wichtig, um das neugeborene Kalb vor Unterkühlung zu bewahren.
Liegeflächen
Während der kalten Jahreszeiten muss allen Rindern eine trockene, windgeschützte Liegefläche, bestenfalls in Kombination mit dem Witterungsschutz, angeboten werden. Ist dem nicht so, verkürzen die Rinder ihre Liegeperiode, um sich vor einem Wärmeverlust über den kalten Untergrund zu schützen. Dies hat eine Hemmung der Widerkauaktivität und eine Erschöpfung der Tiere zur Folge. Regelmäßiges Nachstreuen ist daher unerlässlich. Während des Liegens benötigen die Tiere eine gewisse Distanz zu ihren Artgenossen. Dieser ist bei hornlosen Tieren geringer als bei Rindern mit Hörnern und liegt zwischen 4 und 8 Quadratmetern/Kuh. Insgesamt sollten 0,3 bis 0,4 ha pro Kuh für die Weidefläche veranschlagt werden. Achtung: Besonders Kälber suchen während der Liegeperiode großen Abstand zur Herde, um sich auszuruhen. Gewässer jeder Art, auch außerhalb der Weidefläche, können den Tieren gefährlich werden. Ausschließlich den Kälbern zugängliche, separate Flächen innerhalb der Weide als Rückzugsorte, können Kälber vor einem möglichen Ertrinken bewahren.
Herdenmanagement und Tiergesundheit
Die Haltungsbedingungen in der Weidehaltung sorgen für besondere Anforderungen an die Tiergesundheit und -hygiene sowie an das Herdenmanagement.
Kontrolle und Management
Die genaue Wahl der Rasse sollte nach dem Standort erfolgen. Generell sind Kreuzungsrinder vitaler als reinrassige Tiere. Auch auf die Leichtkalbigkeit, die Muttereigenschaften aber auch den Futterumsatz und die Fähigkeit Fettreserven auszubilden fließen mit in die Entscheidung.
Die Tierkontrolle ist abhängig von der Witterung und den Bedingungen während der Weidehaltung. Im Normalfall werden die Tiere einmal täglich kontrolliert. Unter schwierigen Bedingungen wie beispielweise einer Abkalbung an kalten Tagen oder während ungünstiger Witterungen intensiviert sich die Kontrolle. Unter sicheren Bedingungen bei günstigen Witterungen und robusten Rinderrassen kann die Kontrolle dahingegen in Ausnahmen auch auf zweimal die Woche reduziert werden. Die tägliche Kontrolle umfasst in der Regel ausschließlich den Gesamteindruck der Herde. Einzeluntersuchungen finden statt, sollte der Gesamteindruck auf Unstimmigkeiten schließen lassen. Die Entfernung der Weide zum Betrieb sollte nicht unterschätzt werden, da diese gegebenenfalls mehrmals täglich überwunden werden muss.
Eine Vorbereitung der Rinder auf die Weidehaltung in den kalten Monaten ist sehr hilfreich. Rinder, die im Herbst ein dichtes Winterfell ausgebildet haben, weisen eine hohe Kältetoleranz auf und sind gut an die kommenden Temperaturen angepasst. Da die Kälber eine geringere Kältetoleranz aufweisen als ausgewachsene Rinder, sollten Abkalbungen im Dezember, Januar und Februar durch eine entsprechende Separation der Bullen von der Herde umgangen werden. Idealerweise finden die Abkalbungen im Frühjahr statt. Die Einrichtung einer separaten Abkalbekoppel ist empfehlenswert. Bei der Wahl des Bullen sollte außerdem im besten Fall auf Leichtkalbigkeit gesetzt werden.
Für die Herdendynamik und ein optimales Deckverhalten sollten einem Jungbullen maximal 25, einem Altbullen maximal 40 deckfähige Rinder zugeteilt werden. In einer Herde von deckfähigen Rindern sollten maximal zwei Bullen eingesetzt werden, damit die Rinder keine Erschöpfung durch dauerhaften Besprung erleiden. Das gesamte Herdenverhalten sollte beobachtet werden, um eventuelle Nachteile in den unterschiedlichen Funktionsbereichen für rangniedrigere Tiere zu erkennen, zu deuten und Ungleichheiten, die beispielsweise eine Ausweichdistanz mit sich führen kann, auszugleichen.
Tiergesundheit und -hygiene
Bei notwendigen Eingriffen am Tier, wie bspw. der Klauenpflege, sollten Fang- und Fixiereinrichtungen verwendet werden. Achtung – bei Maßnahmen im Umgang mit Jungtieren können die Kühe aggressiv reagieren, daher sollten Eingriffe wie das Einziehen der Ohrmarken hier mit besonderer Vorsicht und mit mindestens zwei sachkundigen Personen vorgenommen werden.
Wie auch in der Stallhaltung ist die Klauenpflege wichtig, sie ist allerdings anderen Widrigkeiten ausgesetzt. Die Klauengesundheit der Tiere ist in den kalten Monaten auf der Weide besonderen Anforderungen ausgesetzt. Staunasse Böden sorgen nicht nur für kalte Liegeflächen, sondern auch dafür, dass die Klauen ständig feucht sind. Gefrorene Unebenheiten im Boden erhöhen das Risiko von Klauenverletzungen.
Rinder sind auf der Weide außerdem einem viel höherem Risiko von Parasitenbefall ausgesetzt als Rinder, die im Stall gehalten werden. Eine systematische, prophylaktische
Behandlung der Herde sowie die Einhaltung der Hygienestandards ist daher unerlässlich, um den Entwicklungszyklus der Parasiten zu unterbrechen. Zur Bekämpfung von Endoparasiten empfehlen sich Kotproben. Endoparasiten werden durch regelmäßige Fellkontrollen beseitigt. Zusammen mit dem zuständigen Tierarzt sollte eine dem Standort angepasste Bekämpfung
ausgewählt werden.
Zu den allgemeinen Hygieneregeln zählt die regelmäßige Reinigung der Unterstände, eine Quarantäne für Zukaufstiere, die Kontaktbeschränkung zu fremden Rinderherden durch ausreichend räumlichen Abstand, Vermeidung von Staunässe
Schlusswort
Seid ihr selber Experten auf diesem Gebiet, haltet ihr Rinder ganzjährig auf der Weide oder seid ihr an diesem Thema interessiert? Dann schreibt uns gerne weitere Tipps und Anregungen in die Kommentare.